11.09.2018
DSGVO & Bußgelder: Was gilt für Konzerne, welche Maßnahmen sind notwendig?
Dr. Philipp Siedenburg
Director Datenschutz
Die DSGVO schafft innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein einheitliches Datenschutzniveau als Voraussetzung für den Daten-Binnenmarkt der EU. Um dieses Niveau zu garantieren und gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu gewährleisten, wurden auch die Bußgeldrahmen erheblich erweitert. Um auch gegen große Unternehmen schmerzhafte Sanktionen zu ermöglichen, beläuft sich die maximale Bußgeldhöhe auf bis zu 4% des weltweiten Jahresumsatzes. Zusätzlich geht die DSGVO von einem erweiterten Unternehmensbegriff aus, der es erlaubt, Bußgelder nicht nur gegen einzelne Gesellschaften, sondern auf Konzernebene zu verhängen. Konzerne und Konzerngesellschaften sollten daher in ihre datenschutzrechtliche Strategie Maßnahmen einbeziehen, die das Gruppenweite Bußgeldrisiko minimieren.
Wen treffen Bußgelder innerhalb einer Unternehmensgruppe?
Bußgelder aufgrund von Verstößen gegen die DSGVO können gegen Unternehmen selbst sowie deren Leitungspersonen verhängt werden. Legt man den weiten Unternehmensbegriff zugrunde, kann für lokale Verstöße einer Konzerngesellschaft bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für Bußgelder der Gesamtumsatz der Unternehmensgruppe herangezogen werden – 4 % des weltweiten Jahresumsatzes betreffen dann den Jahresumsatz des Gesamtkonzerns.
Erwägungsgrund 150 der DSGVO verweist darauf, dass beim Unternehmensbegriff an den Unternehmensbegriff der Artikel 101 und 102 des AEUV angeknüpft werden soll. Die Artikel 101 und 102 des AEUV regeln den Unternehmensbegriff im Kartellrecht und gehen daher von der Einheit einzelner Gesellschaften aus, wenn diese als Wirtschaftseinheit agieren. Auch die Artikel-29-Datenschutzgruppe verweist darauf, dass Sanktionen gegen Unternehmen nur dann „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein können, wenn vom kartellrechtlichen Unternehmensbegriff gemäß der Auslegung des EuGHs ausgegangen wird. Danach gehören zur Wirtschaftseinheit neben Muttergesellschaft auch alle abhängigen Tochtergesellschaften. Nicht entscheidend ist damit die Rechtsform oder die Art der Finanzierung. Die Wirtschaftseinheit ist vor allem dann anzunehmen, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit in ihrem Marktverhalten Weisungen und einem erkennbaren Einfluss der Muttergesellschaft unterliegt.
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Für welche Verstöße können gruppenweite Bußgelder verhängt werden?
Die Entscheidung, ob das Bußgeld konzernweit oder gegen eine einzelne Gesellschaft verhängt wird, liegt dabei im Ermessen der Aufsichtsbehörde. Maßgebliche Kriterien vor dem Hintergrund der wirksamen Abschreckung sind die tatsächliche organisatorische Verantwortlichkeit für einen Verstoß sowie die konzerninterne Gewinnverteilung. Das Risiko konzernweiter Bußgelder besteht vor allem bei operativen Prozessen, die einem konzernübergreifenden wirtschaftlichen Zweck dienen. Fehlt es in diesem Zusammenhang auf Gruppenebene an hinreichenden organisatorischen Maßnahmen, setzen sich Unternehmen diesem Risiko aus, da nach allgemeinem Unionssanktionsrecht bereits ein Organisationsverschulden ausreicht, um bei einem Verstoß ein Bußgeld gegen eine Unternehmensgruppe zu verhängen.
Welche Maßnahmen können das gruppenweite Bußgeldrisiko verringern?
Um ein Organisationsverschulden auszuschließen und das Bußgeldrisiko zu verringern, sollten Unternehmensgruppen ihrem Datenschutzmanagement-System eine gruppenweite Betrachtung zugrunde legen. Insbesondere der Austausch von Daten zwischen einzelnen Tochtergesellschaften aber auch Datenverarbeitungen mit Relevanz für gemeinsame Ziele sollten dabei zum Gegenstand von einheitlichen Analysen gemacht werden. Die Bestellung eines Konzerndatenschutzbeauftragten kann dabei helfen, eine ganzheitliche Perspektive zu wahren und zudem dem Vorwurf von fahrlässigen Datenschutzverstößen zu entgehen.
Entscheidend ist neben der Wahrung allgemeiner datenschutzrechtlicher Anforderungen die klare Verteilung von gruppeninternen Verantwortlichkeiten. Auf Grundlage eines Inter-Company-Agreements können die Zuständigkeiten für operative Prozesse und datenschutzrechtliche Pflichten geregelt werden. Durch die entsprechende Gestaltung dieser Vereinbarung lassen sich Bußgeldrisiken in doppelter Hinsicht vermeiden. Einerseits wird sichergestellt, dass datenschutzrechtliche Anforderungen konzernweit umgesetzt werden. Andererseits kann durch entsprechende Gestaltung der Verträge die Gruppenrelevanz für einzelne risikoreiche Verarbeitungstätigkeiten verringert oder vermieden werden. Zusätzliche strukturelle Maßnahmen – etwa eine klare Trennung von Reportingstrukturen – helfen dabei, derartige Gestaltungen zu manifestieren. Das Datenschutzmanagementsystem sollte insofern die konzernrechtlichen Strukturen aufgreifen und in datenschutzrechtlicher Hinsicht konkretisieren.
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Welche Kriterien sind bei der Festlegung von Bußgeldern und der Bußgeldhöhe von den Aufsichtsbehörden heranzuziehen?
Die Artikel-29-Datenschutzgruppe verweist darauf, dass Bußgelder wie alle Abhilfemaßnahmen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssten. Anknüpfend an Artikel 83 DSGVO sei dabei immer Art, Schwere und Folge des Verstoßes zu berücksichtigen. Das Bußgeldverfahren setzt daher immer eine Einzelfallbetrachtung und eine Differenzierung nach der Zielrichtung der Abhilfemaßnahmen voraus. Erforderlich ist also die Differenzierung danach, ob ein Verstoß behoben oder bestraft werden soll. Demgemäß können Bußgelder allein oder neben weiteren Abhilfemaßnahmen verhängt werden. Ob Bußgelder erforderlich sind und wie hoch diese gegebenenfalls ausfallen sollen, bemisst sich nach der Stellungnahme der Datenschutzgruppe nach folgenden Kriterien.
Artikel 83 Absatz 2 lege als Kriterien für die Bemessung von Bußgeldern Art, Schwere und Folgen des Verstoßes fest. Die Differenzierung nach der Art des Verstoßes erfolgt vor allem durch Artikel 83 Absatz 4 und 5, je nachdem gegen welche Vorschrift der DSGVO verstoßen wurde. Liegen Verstöße gegen mehrere Vorschriften vor, so legt die Artikel-29-Datenschutzgruppe nahe, die Geldbuße nach dem schwersten Verstoß (also etwa die Verletzung der Vorgaben zum Umgang mit Gesundheitsdaten) zu bemessen. Bezüglich der Schwere und der Folgen des Verstoßes seien zudem die Anzahl der betroffenen Personen und der Zweck der Datenverarbeitung zu berücksichtigen. Zudem seien die Dauer des Verstoßes (die zudem Aufschluss über Vorsatz oder Fahrlässigkeit geben könne) und mögliche erlittene materielle oder immaterielle Schäden auf Seiten der Betroffenen zu berücksichtigen. Ebenfalls zu differenzieren sei nach der Art der betroffenen Daten – ist eine Identifizierung des Betroffenen möglich und handelt es sich um besonders sensible Daten?
Weiterhin einzubeziehen seien Vorsätzlichkeit (wurde die Maßnahme von höchster Geschäftsebene und damit wahrscheinlich vorsätzlich angeordnet?), Fahrlässigkeit (etwa, wenn nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden, um der Komplexität der Geschäftsvorgänge gerecht zu werden) und Abhilfemaßnahmen nach Bekanntwerden des Verstoßes (etwa Benachrichtigung der Betroffenen, Notfallmaßnahmen bei Datenpannen) und der Grad der diesbezüglichen Kooperation mit Aufsichtsbehörden.
Ebenfalls entscheidende Kriterien sind der Grad der Verantwortlichkeit bei der Umsetzung der Vorgaben zu technischen – datenschutzfreundlichen – Voreinstellungen sowie der sonstigen technischen und organisatorischen Maßnahmen, um Datenschutzverstöße zu vermeiden. Außerdem fallen frühere Verstöße gegen das Datenschutzrecht, der Umgang mit diesen und mit anerkannten Verhaltensregeln für Unternehmen in Betracht. Die Einzelfallprüfung impliziert, dass auch alle sonstigen erschwerenden und mildernden Umstände berücksichtigt werden.
Fazit und Handlungsempfehlung
Mit wachsender Größe bedeuten unstrukturierte und unübersichtliche Verarbeitungsprozesse zunehmende Compliance-Risiken, die es zu minimieren gilt.
Im Zuge der Einführung eines Datenschutzmanagementsystems sollten Unternehmensgruppen daher insbesondere:
- sämtliche Datenverarbeitungen erfassen und auf Gruppenrelevanz prüfen (Data-Mapping)
- gruppenrelevante Verarbeitungstätigkeiten einer Risikoanalyse unterziehen
- Verantwortlichkeiten definieren.
Um den erheblichen Aufwand – insbesondere für das Data-Mapping – zu kompensieren, empfiehlt sich eine Erweiterung des Analyse-Scopes auf Business Intelligence und Data Governance-Aspekte um Synergien zu erzielen.
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